Über Burnout wird viel geredet. Etwa ein Drittel der Lehrer befinden sich im Burnout-Prozess. Vielleicht fragen Sie sich manchmal selbst: Was ist mit mir los? Ist das schon Burnout oder bin ich nur ein bisschen überarbeitet?
Burnout ist ein schleichender Prozess, der Körper und Geist, in Mitleidenschaft zieht. Er kann zu völliger Arbeitsunfähigkeit, bis hin zum Suizid führen. Schauen wir uns in einer Fallgeschichte den krisenhaften Prozess näher an und nennen wir unseren Lehrer einmal Sebastian Döring.
Stufe 1: Der Zwang sich zu beweisen
Sebastian Döring zeigt ein hohes Engagement. Er hat sich für den Beruf des Lehrers entschieden, weil ihm die Arbeit mit Menschen wichtig ist. Er will die Fähigkeiten und Stärken der Schüler entwickeln und als Lehrer etwas in seinem Leben erreichen. Als Berufsanfänger hat Döring hohe Ziele und Erwartungen, die noch nicht durch Ernüchterung gedämpft wurden. Wenn das Gefühl leichter Erschöpfung aufkommt, ignoriert er es einfach. Denn schließlich, so meint er, sind ihm Menschen anvertraut worden, die unterrichtet und betreut werden wollen.
Stufe 2: Verstärkter Einsatz
Um den eigenen hohen Ansprüchen zu genügen, steckt Döring noch mehr Energie in die Arbeit. Mit der Zeit hat er das Gefühl unentbehrlich zu sein. Für ihn ist „Soziale Unterstützung“ ein „Fremdwort“. Er vertritt die Meinung, entweder man schafft alles alleine, oder man hat den falschen Beruf gewählt.
Stufe 3: Vernachlässigung eigener Bedürfnisse
Sebastian Döring steckt immer mehr Energie in sein großes Ziel und hat nur das Verlangen dieses zu erreichen. Er will ein guter, ein anerkannter Lehrer und Freund der Schüler sein. Das Verlangen nach Ruhe, Schlaf und Regeneration tritt immer weiter zurück. Stattdessen trinkt er vermehrt Alkohol und entwickelt sich zum starken Raucher. Um für den Unterricht fit zu sein putscht er sich vermehrt mit Kaffee auf.
Stufe 4: Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
Die Ansprüche seines Körpers nach Ruhe und Entspannung blendet Döring immer weiter aus. Zum Unterricht oder zu Konferenzen erscheint er häufig unpünktlich. Er vergisst Unterrichtsmaterialien oder auch Namen von Schülern.
Stufe 5: Umdeutung von Werten
Sebastian Döring will unbedingt sein Ziel erreichen und kann sich nicht eingestehen, dass es zu groß ist. Freundschaften und berufliche Beziehungen, die ihn auf sein Problem hinweisen, werden ihm zur Belastung. Er reagiert immer öfter gereizt und aggressiv. Konflikte mit Schülern, Kollegen oder dem Lebenspartner gehören fast zur Tagesordnung.
Stufe 6: Verstärkte Verleugnung von Problemen
Sebastian Döring fühlt sich nicht anerkannt. Sein „großes“ Ziel scheint er nicht zu erreichen. Mit viel Idealismus und Euphorie ist er immer zur Schule gegangen, nun geht er nur noch ungern dort hin. Er leidet erstmals unter deutlichen Leistungsschwächen und körperlichen Beschwerden, wie z.B. Muskelverspannungen, häufige Erkältungen oder Magen-Darm-Beschwerden. Seine körperlichen und mentalen Probleme verdrängt aber völlig.
Stufe 7: Rückzug
Ein Gefühl der Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit macht sich bei dem Lehrer breit. Alkohol und Medikamente, aber auch Essen dient ihm als Ersatzbefriedigung. Sein soziales Umfeld empfindet Sebastian Döring als bedrohlich und überfordernd. Er hat Angst als Versager angesehen zu werden. Zu seinem Sportverein geht er nicht mehr. Er zieht sich zurück und bricht soziale Kontakte zu Freunden und Bekanntschaften immer weiter ab.
Stufe 8: Innere Leere
Mutlos und ausgezehrt bewältigt Döring seinen Alltag. Seine Motivation ist auf dem Nullpunkt angekommen, er macht nur noch das, was nötig ist („Dienst nach Vorschrift“). Oft leidet er unter Angst und Panikattacken. Er wird zum Eigenbrötler und versucht seine Probleme mit Kauftouren, Fressorgien und exzessivem Sex zu bewältigen.
Stufe 9: Depression
Inzwischen ist Sebastian Döring in einer Depression angekommen. Hoffnungslosigkeit und Erschöpfung machen sich breit. Er sieht nicht mehr den Sinn darin, dass er existiert und will nur noch schlafen, am liebsten für immer. Seine existentielle Verzweiflung ist sehr groß und er macht sich Gedanken, sich zu ermorden.
Stufe 10: Völlige Burnout-Erschöpfung
Aus der Depression kommt er nicht heraus. Sebastian Döring droht die völlige Erschöpfung. Die geistige, körperliche und emotionale Müdigkeit lähmt ihn. Das Immunsystem ist angegriffen, die Gefahr Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Magen-Darm-Leiden zu bekommen steigen an. Auch die Gefahr zum Selbstmord ist in dieser Stufe sehr groß.
Lehrer befinden sich im Burnout
Die Anfangsstadien von Sebastian Döring haben vermutlich schon viele Menschen mindestens einmal erlebt. Im Prinzip kann der Prozess auch jederzeit beendet werden. In fortgeschritten Stadien gelingt das meistens nur mit Hilfe von außen. Nicht jede Erschöpfung ist gleich ein Burnout. Jeder kennt Tage, in denen er schlechter schläft, oder keine Lust hat in den Unterricht zu gehen.
Hin und wieder Konflikte mit Kollegen, Schülern, oder deren Eltern sind normal. Es darf nur kein Dauerzustand sein, sodass sich ein chronischer Stresszustand entwickelt. Wer länger als 12 Wochen z.B. schlecht schläft und vielleicht seine Hobbys oder Freunde vernachlässigt, der befindet sich auf einen Weg, der ins Burnout-Syndrom führen kann.
Das viele Lehrer psychisch und psychosomatisch erkranken, hat mit spezifisch schulischen Belastungen zu tun. Dazu zählen unmotivierte und aggressive Schüler, Konflikte mit Schülereltern und Probleme im Kollegium oder mit der Schulleitung.
Auch ständig neue und meist wenig ausgereifte Vorgaben der Ministerien, sowie eine schlechte Ausstattungen der Schulen tragen auf Dauer zur Erkrankung bei. Fortbildungen in Gesundheitsfördernde Maßnahmen werden für Lehrer immer wichtiger, damit sie bis zu ihrer regulären Pensionierung den Beruf ausüben können.